Reiseberichte

Leipziger Allerlei

Er will, »dass sich hier jeder wohlfühlt, ob er taucht oder nicht. Von mir aus können die Leute auch nur auf ’n Kaffee vorbeikommen, die Aussicht und Ruhe genießen, ein Bierchen trinken, andere Taucher beobachten und jut is.«

Fabian Lehmann, gebürtiger Berliner und Tauchbasenleiter, bringt es auf den Punkt: »jut« ist es hier am Schladitzer See, an der aufgepeppten Bretterhütte, die mehr Charme hat und einladender wirkt als die meisten Tauchbasen rund um Leipzig. Wenige Kilometer nördlich der Sachsenmetropole sitzt man im Liegestuhl auf einer Holzterrasse unterm schattenspendenden Sonnen­segel. Musik tönt dezent aus einer Minibox und eine spendierte Dose Redbull versüßt einem den Moment. Fast schon kitschig wellt sich der See unterm blauweißen Wolkenballett am sächsischen Mittagshimmel. Jetzt eindösen, das wär’s! Aber daraus wird nichts.

»Na, Bock zu tauchen?« Nö, eigentlich nicht. Aber die Frage war rhetorisch und bedeutet Aufbruch. »Ich hab alles da, was du brauchst.« Stimmt, die schick drapierte Einrichtung der Basis ist nicht nur Dekoration, sondern gleichzeitig auch Leihausrüstung – alles nagelneu und sauber. »Aqua Lung sei Dank können wir alle Wünsche bedienen. Selbst für Freitaucher ist alles da.« Und bevor die Frage im Raum steht, wie er sich das im Alter von 26 Jahren überhaupt alles leisten kann, stehen zwei etwa zehnjährige Steppkes in der Basis und fragen, ob sie hier schwimmen dürfen und ob sie vielleicht auch eine Taucherbrille und einen Schnorchel haben dürften. »Keen Thema, Jungs. Aber nix kaputt machen und nachher wiederbringen. Das Geld könnt Ihr stecken lassen. Hauptsache, ihr bringt das Zeug wieder.« Fabian grinst die beiden an und bekommt ein breites Dankeslächeln zurück. »Die kommen später wieder und machen ’n Tauchkurs, janz sicher.« Bevor das passiert, bekommen die zugehörigen Eltern aber erst mal einen Kaffee. Und siehe da, die Frage, ab welchem Alter Kinder Tauchen lernen können, lässt nicht lange auf sich warten. »Tut mir leid, wir müssten dann jetzt mal Tauchen gehen. Ihr könnt ­Euch aber gern setzen und warten, bis wir zurück sind. Dann kann ich Euch noch mehr erzählen.« 

Gesagt, getan. Flossen hoch und Schne­cken­tempo: Linker Hand, direkt neben der Einstiegsstelle der Basis, gibt es mehrere Schilffelder. Da es hier kaum tiefer als zwei Meter ist, heißt es Tarieren in Perfektion. Zur Belohnung gibt es dann Fisch satt. Schwarmweise trifft man hier auf Jungfische und kleinere Rotfedern. Schilf zur Tarnung und unerfahrene Fische als Beute – beste Voraussetzungen für Hechte, die Taucher hier erstaunlich nah an sich heran lassen. Zudem bietet der Schilfgürtel mit knapp zehn Meter, die besten Sichtverhältnisse im See. Richtung Seemitte tauchend, wird es mit zunehmender Tiefe trüber. Der Untergrund ist mal mehr, mal weniger bewachsen. Armleuchter­algen, Tausendblatt-Büsche und Wasserschlauch-Pflanzen bestimmen das Bild.

Auf der Seeseite der Basis trifft man einzelne abgestorbene Bäume, an denen sich Kolonien von Dreikant-Muscheln angesiedelt haben. Mehr Bäume, mehr Abwechslung und mehr Mystik bietet das Westufer, wo der See mit knapp 30 Metern auch am tief­sten ist. Die Überfahrt mit dem kleinen Boot, das demnächst einen größeren Vertreter zur Seite bekommt, dauert nur wenige Minuten. Hier angekommen, taucht man in einen Kessel, der in einer Tiefe von acht bis zehn Metern von Baumstämmen gesäumt ist. An ihnen haben sich Algen, Schwämme und Muscheln festgesetzt. Zusammen mit dem trüben, grünen Licht bekommt das Tauchen hier einen unwirklichen Touch.

Ganz real ist hingegen das Autowrack in 16 Metern Tiefe – ein Suzuki Swift. Überwuchert von Muscheln und halb im Schlamm versunken, ist der als gestohlen gemeldete Kleinwagen ein lohnendes Ziel. Das andere Highlight ist dagegen weniger standorttreu und mitunter auch sehr schreckhaft. 1,50 Meter und weiter wachsend, präsentiert sich ein stattlicher Wels. Meist hängt er im Acht-Meter-Bereich im Baum, den breiten Kopf auf einem Ast abgelegt. Wie immer ist es Glückssache, ob man ihn trifft oder nicht. Und das scheint er zu wissen und quittiert das Aufeinandertreffen mit einem aufgesetzten breiten Grinsen, so könnte man meinen.

Neben diesen beiden großen Attraktionen gibt es noch viele kleine Sachen, die entdeckt werden wollen: geflutete Wege, alte Transport-Loren, Aale, Karpfen und Zander. Der See ist nicht das absolute Nonplusultra, was den Abwechslungsreichtum unter Wasser angeht. Aber noch ein paar Jahre, und der Bewuchs und der Fischreichtum sind auf dem Niveau der »berühmteren« Nachbarseen, wie im wenige Kilometer entfernt liegenden Kulkwitzer See.

Zur Zeit konkurrenzlos ist das Nutzungskonzept des Sees. Das gesamte Ostufer wurde von Camp David, einem bekannten Kleidungshersteller, gepachtet und zum Sport-Resort ausgebaut. Hier gibt es Kiten, Surfen, Segeln, Beachvolleyball – junge, stylische Sportarten, die ein ebensolches Publikum anziehen. Erst vor einem Jahr offiziell eröffnet, ist das Sport-Resort zum Vorzeigemodell geworden. So ist es Austragungsort von Beachvolleyball-, Surf- und Kite-Wettkämpfen, bietet mit dem Wibit-Wasserpark Deutschlands größte Wasserburgen-Anlage und richtet Kinder- und Jugendcamps aus. Selbst der angeschlossene Campingplatz ist etwas ganz Besonderes. Hier kann man entweder in Bungalows übernachten oder man mietet sich in einer der Mongolen-Jurten ein – unbedingt zu empfehlen. Und wer einfach nur stilvoll und gut essen will oder den Sonnenuntergang am See mit einem Cocktail begießen mag, findet im schicken Strandrestaurant »Levante« die Gelegenheit dazu – auch unbedingt zu empfehlen.

Einer der ersten Stunde ist Sven Penszuk. Der ehemalige Trainer der deutschen Apnoe-Nationalmannschaft war es auch, der Fabian ins »All on Sea«-Betreiber-Team holte, ihm die Basenleitung anbot und mit ihm zusammen die Tauchbasis aufbaute. Für Fabian, der wegen seines Sportstudiums nach Leipzig kam, die Gelegenheit, aus seinem Hobby mehr zu machen. Dass er tauchen konnte, hatte er ganz offiziell schon bei der Dive Trophy (Deutschlands größtem Tauchwettbewerb) bewiesen, den er gewann. Zur Zeit ruht das Sportstudium. »Die Zeit fehlt. Außerdem bin ich Tag und Nacht hier.« Hier sein bedeutet, an der Basis arbeiten und im eigenen Caravan, der nur wenige Meter entfernt auf dem Resort-Campingplatz steht, zu wohnen. Zusammen mit den anderen jungen »Verrückten«, die als Surf- und Sportlehrer hier ihre Sommermonate verbringen. Für viele ein gelebter Traum. Dass am Ende die Arbeitszeit auch gleichzeitig die Freizeit und umgekehrt ist, das hat auch Fabian, der selbst durchs Surfen zum Tauchen gekommen ist, gemerkt. Der hätte nie mit so einem gro­ßen Run gerechnet und muss öfter auch Leute wieder wegschicken, weil er weder die Kapazitäten noch die Manpower hat für die Ausbildung und Betreuung.

»Wir haben beschlossen, die Zahl der Taucher zu regulieren. So können wir unseren größten Trumpf auch wirklich ausspielen – die individuelle Betreuung.«

Was nach abgedroschenem Marketingschnack klingt, ist tatsächlich Realität. Gäste, die hierher kommen – seien es neugierige Radfahrer, Gäste des Sport-Resorts oder aber Kiter oder Surfer von nebenan – jeder fühlt sich willkommen, bleibt und wird nach dem dritten und vierten Besuch zum Kumpel. »Genau das macht es doch aus. Chilliges Zusammensein bei dem, was man am liebsten macht. Ich war schon an so vielen Basen, wo man als junger Taucher überhaupt nicht für voll genommen wird und wo man sich dann vorkommt, als würde man stören – von Service mal ganz zu schweigen. So etwas erlebst du bei mir nicht – ganz sicher.«

Sicher ist auch, dass der Tauchbetrieb am Schladitzer See anders ist und bleibt. Dafür sorgen Fabians Ideen. Die reichen vom Apnoe mit Yoga über ­Kajaktauchen, bis hin zum Wellness-Tauchen – Leipziger Allerlei. 

Reiseinfos

Anfahrt: Sie erreichen die Schladitzer Bucht im Norden von Leipzig am besten über die B2 und folgend über die B184 in Richtung Delitzsch. Navi-Daten: Haynaer Strasse, 04519 Rackwitz (GPS 51.4358 12.3474) oder
alternative Adresse Güntheritzer Strasse, 04519 Rackwitz.
 
Anmeldung: Klein und fein – diesem Motto will und muss die Tauchbasis am Schladitzer See treu bleiben. Daher ist die Zahl der Taucher, die pro Tag hier abtauchen können, begrenzt. Während »normale Besucher« jederzeit willkommen sind, wird gebeten, dass sich Taucher vorab anmelden. Unter dieser Telefonnummer können Sie sich anmelden:
0151 348 130 38 – Fabian Lehmann.

 Camp David Sport Resort: Surfen, Segeln, Kiten, Tauchen, Beachvolleyball, Yoga und Fitness-Training, hier in der Schladitzer Bucht kann man mehr als nur baden oder eine Radtour machen. Wer länger als nur einen Tag bleiben will, zeltet, zieht in ein Ferienhaus ein oder lebt wie die Mongolen in einer der Jurten, die es sowohl für Gruppen als auch für Familien gibt. Infos: www.campdavid-sportresort.de